2005 hat sich die Leitung des Augsburger Zoos eine besondere „Attraktion“ ausgedacht. Unter dem Titel „African Village“ planten die Verantwortlichen eine Art Afrika-Festival mit den gängigen Ständen und Darbietungen. Als dieses Vorhaben einem Menschen in der Schweiz bekannt wurde, schrieb dieser an die Leitung des Zoos um seine Irritation mitzuteilen (leider wurde das Schreiben des Schweizers selbst nicht veröffentlicht), worauf die Direktorin des Zoos, Barbara Jantschke, Folgendes antwortete:
„Ihr Schreiben spricht nur dafür, dass Sie sich überhaupt nicht dafür interessiert haben, was während dieser Veranstaltung geboten wird – allein durch den Titel ‚afrikanisches Dorf‘ (ist übrigens auch falsch, die Veranstaltung heißt ‚African Village‘) haben Sie den Eindruck gewonnen, dass ein Afrikanisches Dorf dem staunenden Publikum vorgeführt werden soll. Wenn Sie sich nur ein bisschen mit der Veranstaltung vertraut gemacht hätten, wäre Ihnen sofort klar geworden, dass Ihre Vorwürfe absolut gegenstandslos sind.“ (Antwortschreiben Barbara Jantschke, Februar oder März 2005)
Als die ISD über die Vorgänge informiert wurde, entschloss sie sich direkt an die Verantwortlichen zu schreiben:
München 18.05.2005
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit ausgesprochenem Befremden hat die Schwarze deutsche community zur Kenntnis genommen, dass vom 9.- 12. Juni im Augsburger Zoo eine Art afrikanisches Dorf entstehen soll. „Um eine einmalige afrikanische Steppenlandschaft gruppieren sich Kunsthandwerker, Silberschmiede, Korbflechter, Zöpfchenflechter“ – so ein Auszug aus dem Werbetext der VeranstalterInnen. Dass es sich dabei um eine in konzeptioneller wie praktischer Hinsicht direkt in der Tradition der Völkerschauen stehende Veranstaltung handelt, wird aus dem Antwortbrief von Frau Dr. Barbara Jantschke (Zoo Augsburg) ersichtlich, der als Reaktion auf die durchaus berechtigte und besorgte Nachfrage eines schwarzen Schweizer Bürgers verschickt wurde. Demnach handelt es sich beim Augsburger Zoo um den „genau … richtige(n) Ort …, um auch die Atmosphäre von Exotik zu vermitteln.“
Ganz offensichtlich scheinen sich den VeranstalterInnen die historischen Dimensionen ihres Projektes nicht zu erschließen, was vor dem Hintergrund der mittlerweile auch in Deutschland öffentlich stattfindenden Diskussionen zu Implikationen und Folgen der deutschen Kolonialherrschaft auf eine erstaunliche Resistenz verweist. Die Reproduktion kolonialer Blick-Verhältnisse, in denen Schwarze Menschen als exotische Objekte, als Un- oder Untermenschen in trauter Einheit mit der Tierwelt in einer offenbar zeitlosen Dörflichkeit betrachtet werden können und den Mehrheitsdeutschen als Inspiration für künftige touristische Reiseziele dienen, ist wohl kaum als gleichberechtigte kulturelle Begegnung zu verstehen. Abgesehen davon, dass der afrikanische Kontinent nicht nur aus „Savanne“ und „Dorf“ besteht und sich nicht unter einem singulären Kulturbegriff („African Village“) subsumieren lässt, spricht die gesamte Herangehensweise der VeranstalterInnen von einer erschreckend ungebrochenen Verdrängung historischer Kontinuität, mit der die Aneignung und Einverleibung vermeintlich exotischer Orte und Menschen immer wieder neu begründet werden kann.
Wir möchten die VeranstalterInnen daran erinnern, dass in der Geschichte der Völkerschauen nicht nur rassenanthropologische Untersuchungen an den DarstellerInnen vorgenommen worden sind, sondern dass viele von ihnen in Folge der schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen starben. Wir weisen darüber hinaus mit Nachdruck darauf hin, dass Schwarze Deutsche auch während des Nationalsozialismus, nämlich von der Zwischenkriegszeit bis in die vierziger Jahre, dazu gezwungen waren, in Völkerschauen aufzutreten, weil ihnen andere professionelle Sphären verschlossen wurden. Viele Schwarze Menschen kamen im Zuge der rassistisch begründeten Herabwürdigung und juristisch legalisierten Verfolgung während des Nationalsozialismus ums Leben. Im ahistorisch situierten Kontext des Augsburger Zoos werden in geschmackloser Art also nicht nur die (Überlebens)-Geschichten Schwarzer Kolonial- und NS-Opfer verhöhnt, sondern es ist darüber hinaus zu fragen, an wen sich der von den VeranstalterInnen explizit artikulierte unbekümmerte Anspruch, „die Toleranz und Völkerverständigung (zu) fördern“, eigentlich richten kann.
Die AdressatInnen sind ganz sicher nicht Schwarze deutsche Menschen oder solche mit Migrationshintergrund. Wie wäre es ansonsten zum Beispiel mit einer – unserer Ansicht nach typisch deutschen – Kulisse des Rotwildoder Wildschweingeheges, vor der bayerische BergdörflerInnen zu bestaunen und uns mit ihrer Handwerkskunst und ihren kulinarischen Spezialitäten auch gleich die touristischen Weiten deutscher Landstriche authentisch vor Augen führen? AdressatInnen sind sicherlich auch nicht die vielen weißen Menschen in diesem Land, die sich um ein gleichberechtigtes Miteinander, um Offenheit und Respekt und um Überwindung der geschichtlich bedingten Grenzen in den Köpfen und einer damit einhergehenden Ignoranz bemühen. Es ist an der Zeit, sowohl Deutschlands mehrere Jahrhunderte andauernde Verstrickung in die koloniale Geschichte als historische Tatsache anzuerkennen und sich damit auseinanderzusetzen als auch mit der geschichtslosen und folkloristischen Darstellung und Behandlung von Menschen afrikanischer Herkunft in diesem Land zu brechen. Eine kolonialrassistische Zur-Schau-Stellung im Zoo wird keinem Menschen gerecht!
Die Schwarze deutsche community ruft zu Protesten gegen die Veranstaltung „African Village“ im Augsburger Zoo auf. Wir rufen dazu auf, jetzt und in Zukunft mit kolonialrassistischen Traditionen zu brechen!
Ihren Protest richten Sie bitte direkt an die VeranstalterInnen
Frau Dr. Barbara Jantschke (Direktorin Zoo Augsburg)
barbara.jantschke@zoo-augsburg.de
Tel.: 0821 / 567 149-0
Fax: 0821 7 567 149-13
und an die Agentur, die für Projektidee und –umsetzung verantwortlich ist:
maxVita GmbH – Mainzer Str. 15a 80804 München
Tel: 089-780 60 70 – Fax: 089-780 60 725
E-Mail: info@maxvita.de; mailto:info@maxvita.de
Bitte senden Sie uns eine Kopie Ihres Protestschreibens oder lassen Sie uns von anderen Protestaktionen wissen.
Mit freundlichen Grüßen,
Peggy Piesche (Literatur- und Kulturwissenschaftlerin, Black European Studies, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz)
Nicola Lauré al-Samarai (Historikerin, TU Berlin)
Tahir Della (Vorstand ISD-Bund e.V./ München)
Jasmin Eding (Vorstand ADEFRA e.V./ München)
Nachdem weder die Direktorin noch die verantwortliche Agentur der ISD antworteten oder in der Öffentlichkeit zu der Kritik Stellung bezogen, schrieb die ISD einen weiteren Brief:
Sehr geehrte Damen und Herren, Sehr geehrte Frau Zoodirektorin Jantschke,
Sehr geehrter Herr Medhat Abdelati, Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Wengert,
vor einigen Tagen erhielten Sie eine Stellungnahme der Schwarzen Gemeinschaft in Deutschland zu der für 9. bis 12. Juni 2005 im Augsburger Zoo geplanten Veranstaltung mit dem Titel „African Village“.
Wir haben darin unserem begründeten Protest gegen die Vermarktung afrikanischer Menschen unter Reduzierung ihrer kulturellen Errungenschaften in einer im deutschen Zoo nachempfundenen afrikanisch anmutenden Steppenlandschaft Ausdruck verliehen. Wir protestieren dagegen, dass hiermit konsequent in kolonial-rassistischer Tradition, auf Kosten des Menschenbildes und unter Missachtung der Menschenwürde ALLER Menschen mit Exotik geworben und das schnelle Geld gemacht werden soll. Bei einem solchen Setting kann es unseres Erachtens nicht um Toleranz und Verständigung gehen, sondern eher darum, dass der vielleicht ungebrochene Marktwert der Exotik (übersetzt: der eurozentrischen, kolonialen Aneignung) bei den Veranstaltern für volle Kassen sorgen soll. Unserer Stellungnahme und unserem Protest folgten Stimmen aus dem In- und Ausland, die sich ebenfalls kritisch zu der geplanten Veranstaltung äußern und Sie auffordern, die Veranstaltung entweder abzusagen oder zumindest an einen anderen, nicht entsprechend belasteten Ort zu verlegen. Wir hängen diesem Schreiben einige dieser Stimmen an. Wir stellen fest, dass bis heute seitens der Verantwortlichen von Zoo und Event-Agentur keine Antwort oder Stellungnahme zu der geäußerten Kritik erfolgt ist. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie bis spätestens 4. Juni 2005 auf die Kritik der Schwarzen Gemeinschaft in Deutschland eindeutig reagieren oder Vorschläge unterbreiten, wie die Angelegenheit zu unserer aller Zufriedenheit bereinigt werden kann. Wir sind zu einem Gespräch mit den Verantwortlichen bereit, wenn Sie bereit sind, unseren Protest ernst zu nehmen und darauf einzugehen.
Unsere Forderung lautet:
Kein „African Village“ im Zoo – Menschen gehören nicht in den Zoo!!
Sollten wir bis zu dem oben genannten Termin keine Antwort erhalten haben, werden wir zum Auftakt der Veranstaltung eine Pressekonferenz einberufen und der breiten Öffentlichkeit auch vor Ort unsere Bedenken und Einwände kundtun. Sie können davon ausgehen, dass ein „afrikanisches Dorf“ im Augsburger Zoo von uns kritisch hörbar und sichtbar begleitet wird.
Erst jetzt gab Frau Jantschke zu, „dass die Ausstellung Klischees bedient“ und der Name des Events nicht sehr glücklich gewählt worden sei. Als Ausgleich bot sie eine Diskussion an , die jedoch nie zustande kam.
Der Oberbürgermeister der Stadt Augsburg, Dr. Paul Wengert, meldete sich am 1. Juni in einer Presseerklärung zu Wort. Dort erklärte er:
„Ausdrücklich weise ich den Vorwurf zurück, die vorgesehene Veranstaltung erinnere an die früheren so genannten Völkerschauen, die zur Bildung rassistischer Grundhaltungen in Deutschland beigetragen haben. Solche Vorhaltungen sind haltlos, nicht zutreffend und verkennen vollkommen historische Zusammenhänge.“
Weiterhin stellte er fest, dass es bei der Veranstaltung kein afrikanisches Dorf geben werde, lediglich 40 Stände, „von denen aus oft Afrikaner Kunst, Schmuck- und Gebrauchswaren meist afrikanischer Provenienz veräußern.“
Am 9.Juni war die Angelegenheit für den Augsburger Zoo erledigt und es folgten keine weiteren Korrespondenzen.