Im Jahre 1979 gibt der Publizist Henryk M. Broder, gemeinsam mit Michel R. Lang, ein Buch heraus: “Fremd im eigenen Land. Juden in der Bundesrepublik.” Rund dreizehn Jahre später finden drei junge Heidelberger Musiker kein Label für ihre Songs, kurzerhand veröffentlichen sie ihre Single 1992 selbst. Deutschsprachiger Rap war geboren – “Fremd im eigenen Land” wurde ein Undergrund-Hit und ein Song, der auch mehr als fünfundzwanzig Jahre nach seinem Erscheinen, leider nichts an Aktualität verloren hat: Alltäglicher Rassismus, Rechte Gewalt, Racial Profiling, All das Gerede von europäischem Zusammenschluss/Fahr’ ich zur Grenze mit dem Zug oder einem Bus/Frag’ ich mich, warum ich der Einzige bin, der sich ausweisen muss/Identität beweisen muss!
Sechszehn Jahre später veröffentlicht der weiße Rapper Fler aus Berlin ein gleichnamiges Album – Blaue Augen, weiße Haut/tätowiert, breit gebaut/Jeder hat’s kapiert/ein deutscher Badboy heißt es im Refrain der ersten Single-Auskopplung und macht damit deutlich, welche “Re-Kontextualisierung” von “links” nach “rechts” der Satz “Fremd im eigenen Land” bereits zu diesem Zeitpunkt hinter sich hat. Einige Jahre später ist der Satz endgültig in der Extrem Rechten angekommen. Auf Plakten und in Reden von NPD, AfD oder PEGIDA wird sich von mehrheitlich weißen Deutschen im Brustton der rassifizierenden Überteugung angeignet, was Jahre zuvor die rassistischen Strukturen der Mehrheitsgesellschaft beschrieb und angriff.
Was also war passiert?
Dieser Frage geht der Journalist Sammy Khamis im hier verlinkten Radio-Feature aus dem August 2018 nach. Und spricht, in Autoren-Texten und Interviews u.a. über die Fantastischen Vier, den sog. “Nationalsozialistischen Untergrund”, chauvinistischen Rap aus der sächsischen Provinz, den schrittweisen Rechtsruck eines Henryk M. Broder oder die ECHO-Verleihung 2018.
Als Gesprächspartner werden u.a. die Sozialpädagogen und Musiker Murat Güngör und Hannes Loh gefeatured , deren 2002 erschienenes Buch “Fear of a Kanak Planet. HipHop zwischen Weltkultur und Nazi Rap.” die Entstehungsphase deutschsprachiger Rapmusik detailreich analysiert und hier explizit empfohlen sein. Güngör und Loh sind es dann auch, die auf die prinzipielle Doppelbödigkeit der Aussage “Fremd im eigenen Land” hinweisen, ihr rekurrieren auf nationalstaatliche Zugehörigkeit und die daraus resultierende Anschlussfähigkeit für nationalistische, rassistisch argumentierende Diskurse.
Das Feature ist Teil der Sendereihe “Zündfunk Generator” des Bayrischen Rundfunks. Mehr Informationen und weitere Sendungen findet ihr hier.